Grüße aus der Zukunft 06

Raumwunder – Kapazität und Flexibilität

Wir haben lange nach dem perfekten Haus gesucht. Alle Familienmitglieder hatten da ihre eigenen Vorstellungen, die zwischenzeitlich unvereinbar schienen. Wir wollten ein Haus, keine Wohnung. Groß sollte es sein, mit viel Platz für Kinder-, Arbeits- und Gästezimmer. Die nützlichen Orte des Alltags sollten fußläufig oder mit dem Fahrrad erreichbar sein, und wir wollten nah an der Natur wohnen. Das Viertel hier in Wittenberge hat uns gleich gefallen mit seinen Häusern aus der Gründerzeit, den breiten Straßen und alten Bäumen. Schöne Häuser, aber leider viel zu klein.

 

Man merkt, dass sich hier in den letzten Jahren viel getan hat. Es sind auch einige neue Häuser dazugekommen und wir hätten natürlich auch neu bauen können, aber uns gefiel es ja gerade wegen der Altbauten so sehr. Aaliyah schlug dann vor, ein Mehrfamilienhaus zu kaufen und alle überflüssigen Wände herauszureißen, so dass ein großes, modernes Haus daraus wird. Ich konnte mir das erst nicht recht vorstellen, aber dann besuchten wir eine Familie in Wittenberge, die das schon einmal gemacht hatte – irre, was das ausmacht, ehrlich. Dabei sieht man es unserem neuen Zuhause von außen gar nicht an, wie radikal es sich von innen verändert hat.

 

Das Wohnzimmer hat jetzt eine Deckenhöhe von 5,80 m, so dass unser Flügel darin jetzt richtig toll aussieht – und vor allem klingt. Aus vielen kleinen Zimmern sind großzügige Räume auf 3 Etagen geworden. Den Hof haben wir entsiegelt und einen Garten angelegt, in den uns niemand von der Straße aus reinsehen kann. In dem Nebengebäude, das mal eine Kohlehandlung war, haben ich jetzt Platz, um in Ruhe an meinen experimentellen Instrumenten zu basteln, die stelle ich aus allen möglichen Fundstücken her, zur Entspannung. Wir sind glücklich hier. Klar, ein paar mehr Läden könnte es schon fußläufig geben, aber eigentlich vermisse ich nichts.

 

Interessant ist ja auch die Zukunftsperspektive: Momentan sieht es ja doch wieder so aus, als würden nicht alle in die großen Städte ziehen. Wenn unsere Kinder also später hier wohnen bleiben, dann können wir das Haus auch wieder aufteilen und gemeinsam einsam sein. Oder sie ziehen doch weg und wir werden alt und klapprig: dann können wir eine Einliegerwohnung für einen Bufdi abteilen. Jede Menge Optionen also, deswegen ist es uns auch gerade relativ egal, dass wir mehr Geld in den Umbau gesteckt haben als wir beim Verkauf raus bekämen. Für uns ist unser Haus ja auch kein Spekulationsobjekt, sondern unser Heim – und das soll es auch noch eine ganze Weile bleiben.

Schon Wirklichkeit

Cité Manifeste – Raumreserven durch Einsatz zweckentfremdeter Bauelemente (Gewächshäuser), Lacaton / Vassal, Mulhouse 2005

 

Tenne in Fergitz – Einbau von Ferienwohnungen in eine Scheune, deren Kern offen bleibt, TKA Thomas Kröger Architekten, Uckermark 2016

 

Familienhaus – Umbau eines historischen Mietwohngebäudes zu Wohneigentum für eine 6-köpfige Familie, Meierholz Architektur, Wittenberge 2015

 

Grüße aus der Zukunft  >>  Wittenberger Transformationsgeschichten

Alle Transformationsgeschichten wurden 2018 von subsolar* Architektur und Stadtforschung im Auftrag der Stadt Wittenberge entwickelt. Sie basieren auf den Erkenntnissen der Rahmenplanung Packhofviertel und aktuellen urbanen Transformationsprojekten.