Vor beinahe 50 Jahren prägte der gelernte Nautiker, autodidaktische Designer und findige Ingenieur Richard Buckminster Fuller das Bonmot vom „Raumschiff Erde“, das mit einer Geschwindigkeit von mehreren tausend Kilometern pro Stunde um die Sonne kreist. Fuller vertrat in seinem Buch „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“ die Auffassung, dass das offensichtliche Fehlen einer solchen Teil eines intelligenten Plans sei: So nämlich, ohne Anleitung, seien die Menschen dazu gezwungen, ihr Schiff zu erforschen, zu verstehen und schließlich Sorge dafür zu tragen, dass es gut läuft bzw. fliegt – jetzt und in Zukunft.
Die terrestrischen fossilen Energiereserven, so Fuller, stellten dabei lediglich eine Art Initialtreibstoff dar, eine Starterbatterie, deren Energie wir verbrauchen können, so lange wir noch nicht herausgefunden haben, wie wir unser Raumschiff regenerativ und damit zeitlich unbegrenzt betreiben können. Auch die Navigation im endlosen All, die wir momentan nicht optimal hinbekämen, weil „die Amerikaner an der einen, die Chinesen an der anderen Leitwerkkontrolle“ säßen, könnten wir nach Fullers Auffassung lernen: Schließlich sei der Mensch als einziges Lebewesen dazu in der Lage, seine armselige physische Grundausstattung systematisch durch den Einsatz selbst erfundener Werkzeuge zu verbessern, und er werde schließlich erkennen, dass Nationalstaaten in etwa „so nützlich seien wie eine Mauer zwischen Ohr und Hirn“.
Von heute aus gesehen ist das hier gezeichnete Bild in vielerlei Hinsicht erstaunlich. Geradezu visionär wirkt der Aufruf zur Nachhaltigkeit, zur Schonung von Ressourcen und zur Erkenntnis, dass wir, die Menschheit, nur diese eine Erde haben – und sie schon daher nicht „auf Verschleiß“ fahren sollten, wie es so schön heißt. Erstaunlich technik- und fortschrittsgläubig wirkt dagegen das Bild an sich: Ein Raumschiff, hallo, ein technisches Artefakt also, und das ist uns irgendwie „gegeben“ worden, nur eben leider ohne Bedienungsanleitung? Schöpfungsgeschichte meets Star Trek? Und wir werden das Schiff – dank des technischen Fortschritts – schon friedlich gemeinsam schaukeln, wenn wir nur mal unsere Prioritäten klar kriegen?
Bedenkt man, was seit dem Erscheinen von Fullers kleinem blauen Buch geschehen ist, dann kommen einem da durchaus Zweifel. Die Starterbatterie der fossilen Brennstoffe ist immer wieder durch die Entdeckung neuer Reserven und neuer Technologien erweitert worden, und die Rückstände, die ihre Verbrennung produziert, haben schon heute zu einem erheblichen Wandel im globalen Klimasystem geführt – Tendenz: weiter steigend. Noch immer sitzen verschiedene Staaten an der Leitwerkkontrolle, schlimmer noch: An Gas- und Bremspedal, an der Kupplung und am Scheibenwischer, ja der ganze Apparat wird von einzelnen Institutionen und Interessengruppen gelenkt, die in der Regel erst an sich und dann an alle anderen denken. Ein ziemlicher Blindflug also – man wundert sich, dass wir unsere Umlaufbahn noch nicht verlassen haben.
Konstant geblieben ist über all die Jahrhunderte (und Jahrmillionen vorher) jedoch eines: Die Erde kreist um die Sonne, und diese schickt ihre Strahlen herüber. Sie ermöglicht dadurch Wärmegewinne, Photosynthese, Tag- und Nachtmodus, die Heilung von Depressionen, die Entstehung von Hautkrebs und vieles mehr. Der Punkt, der – von der Erde aus gesehen – senkrecht unter der Sonne liegt, heißt „Subsolarer Punkt“, er wandert im Tages- und Jahresverlauf auf einer schlangenförmigen Bahn um die Weltkugel herum, in relativer Nähe zum und manchmal auch genau auf dem Äquator. Dass es in der Gegenwart, also im Hier und Jetzt des Augenblicks, der nach dem Gestern und vor dem Morgen kommt, immer nur genau EIN Punkt ist, der die Schnittmenge zwischen senkrechter Sonneneinstrahlung und der gekrümmten Erdoberfläche markiert, sollte uns zu denken geben, denn er weist unmittelbar auf die Tatsache hin, dass beides einmalig ist: die Erde UND die Sonne. Zumindest, so weit wir das heute überblicken können – und wir sehen auch nicht viel weiter als Fuller damals mit seiner dicken, runden Brille.
„Call me trimtab“, steht auf Fullers Grabstein: So, wie die kleine Trimmklappe beim Supertanker erst das Ruder und dann nach und nach das ganze Schiff umschwenken lässt, wollte Richard Buckminster Fuller die Gesellschaft neu ausrichten, als kleines Element, dass vor der Truppe, „avant Garde“ also, die andere, hoffentlich richtigere Richtung einschlägt. Das Transformation Design kann also viel von ihm lernen – und der Tanker wird hoffentlich einmal folgen.